Ilse Rennefeld

Ilse Rennefeld

Eine anthroposophische Ärztin jüdischer Herkunft im niederländischen Exil (1939 – 1942)

von Peter Selg |

Die Monografie berichtet von ihrem täglichen Ringen in den Niederlanden, von der Beziehung zu ihrem blinden und ebenfalls gefährdeten Mann, dem Dichter Otto Rennefeld, und ihrer ärztlichen Freundin Kläre Meumann, die gemeinsam in Berlin zurückgeblieben waren - sowie von inneren Überlebenskräften.


EAN 9783906947013

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Die anthroposophische Ärztin Ilse Rennefeld (1895 – 1984), die dem Kreise der «jungen Mediziner» um Helene von Grunelius angehörte, emigrierte als Jüdin noch spät, Anfang des Jahres 1939, aus Berlin in die Niederlande – mit Hilfe eines ehemaligen Patienten von ihr. Ihr Überleben verdankte sie jedoch nicht dem Exil, in das die deutsche Wehrmacht und SS vielmehr im Mai 1940 einbrach, sondern einer Rettungsaktion deutscher Widerstandskreise um Hans von Dohnanyi, Admiral Wilhelm Canaris und anderen.


Rezension

Studien über das Schicksal von Anthroposophen mit jüdischem Hintergrund gibt es wenige. Am ehesten wäre noch an die 385seitige Darstellung ›Maria Krehbiel-Darmstädter. Von Gurs nach Auschwitz. Der innere Weg‹ vom gleichen Autor aus dem Jahre 2010 zu erinnern. Peter Selgs Studie über die anthroposophische Ärztin Ilse Rennefeld (1895–1984), die in Berlin-Charlottenburg eine gemeinsame Praxis mit ihrer Jugendfreundin und Kollegin Kläre Meumann (1894–1980) führte, basiert auf der erhaltenen, mehr als 900 Briefe umfassenden Korrespondenz Ilse Rennefelds mit ihrem Mann, dem von dem Dichter Albert Steffen sehr geschätzten, blinden und zeitweise depressiven Dichter Otto Rennefeld (1887–1957), und Kläre Meumann, mit der sie eine dreifache Lebensfreundschaft und -gemeinschaft verband. Das Buch lässt ein Bild der inneren Situation Ilse Rennefelds zur Zeit ihrer Emigration in Zeist entstehen.

Nachdem bereits im Rahmen des Buches ›Unternehmen Sieben. Eine Rettungsaktion für vom Holocaust Bedrohte aus dem Amt Ausland/Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht‹ (Berlin & Wien 1993) durch den Historiker Winfried Meyer das Schicksal dieser drei, auf besondere Weise miteinander verbundenen Menschen berührt wurde, und dabei die von Ilse Rennefeld nach der Besetzung der Niederlande durch die Nationalsozialisten in ihren Briefen nach Deutschland verwendete Geheimsprache (klinische Termini für Alltägliches) dechiffriert werden konnte, richtet Peter Selg nun den Blick auf das seelisch-geistige Ringen Ilse Rennefelds angesichts der bedrohlichen äußeren Lebenslage.

Was sich in dieser durchaus ins Literarische gehenden Studie – der eine Reihe von Gedichten Otto Rennefelds angefügt ist – zeigt, ist bemerkenswert und dokumentiert (wie auch im Falle von Maria Krehbiel-Darmstädter und vieler anderer durch Tod und Verfolgung bedrohter Menschen) die Kraft des sich selbst aus dem Geist ergreifenden menschlichen Ich, das der Auseinandersetzung mit dem Bösen standhält. Gerade diese übergeordnete, und ich möchte sagen: heute notwendige Perspektive enthebt die vorliegende Darstellung dem für solche Publikationen üblichen Duktus einer Opfer-Täter-Polarität, und macht das persönliche Schicksal, so dramatisch und seelisch berührend es außerdem sein mag, auch grundsätzlich interessant, da es etwas Exemplarisches (d.h. etwas, das mit der Zukunft zu tun hat) schildert.

Bei der Lektüre der ausführlichen und detaillierten Wiedergabe wesentlicher Passagen aus dem Briefwechsel Ilse Rennefelds mit ihrem Mann und Kläre Meumann mag sich dem Leser vielleicht die Frage nach der Relevanz einer solchen epischen Breite aufdrängen – doch ist es gerade diese Sphäre des Ich, zu der sich die Beteiligten inmitten der äußeren Not emporringen, aus der die im 20. Jahrhundert gelebte und durch tiefe Verzweiflungen hindurch getragene, seelisch-geistige Verbundenheit von Ilse und Otto Rennefeld und Kläre Meumann in karmischer Dimension plötzlich – es handelt sich um eine Stelle in einem Gedicht Otto Rennefelds an seine Frau – für einen Augenblick sichtbar wird wird. Bücher wie dieses sind, als Ergebnis einer Wahrheitssuche, auch für die inzwischen verstorbenen Beteiligten, auf deren abgelebtes Schicksal der Leser blickt, von Bedeutung.

Quelle: Die Drei, Heft 3, 2018

Eirscheinungsdatum: 2017
Seiten: Ca. 240 Seiten, ca. 30 Abb.
Einbandart: Leinen mit Schutzumschlag
ISBN 978-3-906947-01-3