Logisch-philosophischer Abriss

Logisch-philosophischer Abriss

Zum Werk Michael Bockemühls

von Philip Kovce |

Was heißt es, sich das Werk eines anderen zur Aufgabe zu machen? Sich aufzugeben? Den anderen aufzunehmen? Jedenfalls heißt es, Formen zu finden, die es erlauben, dass beide sich aussprechen - der eine sowie der andere.


EAN 9783933332752

Hersteller: AQUINarte edition

19,00 EUR *
Inhalt 1 St.
* inkl. ges. MwSt. zzgl. Versandkosten

Nicht lagernd

Dieser logisch-philosophische Abriss führt Gedanken über das Werk Michael Bockemühls so zusammen, dass sie zu Ansichten seiner Wirkung werden. Es setzt sich diese weiter fort, wenn sie, ohne sich aufzugeben, aufgenommen wird.


Rezension

Je weniger ein Buch einer Norm, einem Genre, gewohnten Formen entspricht, desto schwieriger wird eine Rezension. Allgemeine Kriterien – sowieso meistens zweifelhaft – fallen weg: Welches Maß kann man noch anlegen, wenn es nicht bei einem rein subjektiven Urteil bleiben soll?

Das Buch von Philip Kovce stellt einen genau vor diese Herausforderung: Eigentlich eine profane Bachelorarbeit, schriftliches Zeugnis eines akademischen Ausbildungsschrittes – aber auf edles Papier gedruckt, sorgsam und großzügig gestaltet und handgebunden von der AQUINarte Literatur- und Kunstpresse. Das Thema Zum Werk Michael Bockemühls (ein auch über anthroposophische Kreise hinaus bekannter, 2009 verstorbener Kunstwissenschaftler) kommt in informativer, inhaltlicher Bearbeitung nicht vor. Das Buch enthält Kovces eigene Gedanken, die hervorgegangen sind aus seiner persönlichen Begegnung mit Bockemühl und aus seiner Beschäftigung mit dessen Werk, dieses als »Inspirationsquelle« aufgreifend (vgl. Prolog). Im Klappentext wird es so formuliert: »Er blickt auf das Werk Michael Bockemühls und führt Gedanken über es selbst und darüber hinaus zusammen.« Und so wurde es an der Universität Witten/Herdecke (mit einigen Hürden, wie die Rezensentin weiß) als Bachelorarbeit im Fach Philosophie angenommen!

Wie kann man nun als Leser, ohne dieselbe Hintergrundkenntnis zu besitzen, mit Kovces Gedanken mitgehen?

Wegmarke 1 lautet: »Das Werk Michael Bockemühls ist zu verstehen.« Nummer 7, der letzte Satz wird lauten: »Das Werk Michael Bockemühls versteht sich durch sich selbst.« Dazwischen entfaltet sich eine in Aussagesätzen fortschreitende Gedankenwanderung, die allerdings klare Themen ins Auge fasst: Was ist Wahrnehmung? Wie entsteht sie? Was darüber hinaus ist Anschauung? Gibt es Sinnestäuschung? Wie sieht eine gelungene Beziehung von Werk und Betrachter aus? Wie sind Anschauen und Erkennen aufeinander bezogen? Was eigentlich ist ein Sinn und wie bildet er sich? Usw.

In die aphoristische, indikativische, teils gehobene Sprache muss man als Leser ganz eintauchen, um die selbstreferenziellen und selbstreflexiven Begriffsausformungen Schritt für Schritt verfolgen zu können. Dabei kommt das Bildhafte nicht zu kurz, aber nicht aus Selbstzweck und alleiniger Lust am Bild, sondern aus einer gewissen Notwendigkeit, die das Denken aus sich selbst gebiert, wenn es sich verlebendigen will. Diesen Prozess kann man in Kovces Suchen und Formulieren, aber auch in seiner trefflichen Denksicherheit sehr gut verfolgen. Ich möchte ein überschaubares Beispiel zitieren:

»6. Das Werk Michael Bockemühls ist offen.

6.1. Das offene Werk ist das Werk des Lehrers.

6.1.1. Das Werk des Lehrers wird ermöglicht, wenn der Schüler es verwirklicht. (Sie legen Zeugnis ab voneinander).

6.1.1.1. Der Lehrer geht im Schüler auf, der Schüler in sich selbst.«

Anhebend mit einer Setzung oder einer Beobachtung erwachsen parallele Satzstrukturen, die in eigenartiger Weise in sich erweiternde Kreisbewegungen münden und daraus eine ineinander verschränkte Dialektik entfalten: Das ist typisch für den Stil dieses »logisch-philosophischen Abrisses«, wie ihn der Autor nennt. Oftmals entstand mir beim Lesen Licht, das sich selbst hervorbrachte und sich in Ideenform weiter ausdifferenzierte. Wer es versteht, Gedanken und Begriffe in ihrem Entstehen an der (Sinnes-)Welt zu beobachten und daran Vergnügen hat, wird mit diesem schönen Buch eine besondere Erfahrung machen. Für mich kommt hier der junge Autor mehr zu sich selbst, als in dem, was ich bisher von ihm kenne – durch den Blick auf einen anderen – seinen Lehrer.

Quelle: Die Drei, Heft 11, 2014

Erscheinungsdatum: 01.03.2014

80 Seiten, handgebundene englische Broschur

ISBN: 978-3-933332-75-2