Anthroposophie

Anthroposophie Sinneslehre nach Rudolf Steiner

Anthroposophie ist ein erkenntniswissenschaftlicher Schulungsweg, der von Dr. Rudolf Steiner (1861-1925) begründet wurde. Sie ist verwandt mit der Rosenkreuzer-Strömung. Anthroposophie (aus dem Griechischen: "Weisheit vom Menschen") hat zum Ziel, die individuelle seelisch-geistige Entwicklung des Menschen und darüber hinaus die Neugestaltung verschiedenster Lebens- und Kulturbereiche auf Basis der Natur- und Geisteswissenschaft zu fördern und anzuregen. Grundlegend ist dabei, dass der Mensch sowie die Welt dreigliedrig sind (physischer Leib, Seele und Geist, bzw. physische, seelische und geistige Welt). Seit ihrem Bestehen im 20. Jahrhundert hat die Anthroposophie in vielen Lebensfeldern zu Erneuerungen geführt (u.a. dieWaldorfschule, dieDemeter-Landwirtschaft, die Medizin und auch in Wissenschaft und Kunst, z.B. Eurythmie).

"Anthroposophie ist ein Erkenntnisweg, der das Geistige im Menschenwesen zum Geistigen im Weltenall führen möchte."
(Rudolf Steiner, GA 26)

Mehr zum Thema: Werke Rudolf Steiners, Reinkarnation und Karma, Selbsterkenntnis

Steiner versteht Anthroposophie nicht als Glaubenssystem oder Dogma. Er selbst promovierte in Philosophie und hat ein umfangreiches Grundlagenwerk zu seiner Erkenntnismethode verfasst (z.B. in "Die Philosophie der Freiheit"). Er hat als Geistesforscher zwar Erkenntnisse und Mitteilungen gegeben, betonte jedoch immer, dass es auf die Ausbildung eines klaren Urteilsvermögens ankommt und nicht auf reines Hellsehen (siehe z.B. "Die Spiritualisierung der Intelligenz", Vortrag 13.11.1909, GA 117). Anthroposophie soll den Menschen zunächst anregen, sich auf Basis einer genauen Beobachtung der gegebenen Sinneswahrnehmungen klare Begriffe zu bilden. Darüber hinaus ist in dem umfassenden Werk Rudolf Steiners einen Übungsweg gegeben, der verschiedene schlummernde oder schon vorhandene Fähigkeiten im Menschen wecken oder stärken soll. Durch sorgfältige Durchführung verschiedener Denk-, Willens-, und Gefühlsübungen werden die natürlichen Sinne geschult und erweitert und der Mensch kann dadurch allmählich zur Erkenntnis und Schau höherer Welten gelangen (siehe seine Schrift: Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?" (GA 10)). Ausschlaggebend ist dabei, dass der Mensch sich selbst dazu befähigt, durch seine eigene Urteilskraft zu sicheren Erkenntnissen zu gelangen. Steiner betonte stets, dass man seine Mitteilungen höherer Welten "nicht glauben, sondern denken" soll.

Rudolf Steiner - Begründer der Anthroposophie

Rudolf SteinerRudolf Steiner knüpft auch an die Geistesgeschichte der Menschheit an. So stellt Steiner ausdrücklich die Anthroposophie in Zusammenhang mit der christlichen Mystik, dem Weltverständnis Goethes, fernöstlichen Lehren, dem deutschen Idealismus und der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse aus Rudolf Steiners Zeit. Wesentlich zum Verständnis für die Anthroposophie Rudolf Steiners ist der Evolutionsgedanke. Steiners Geisteswissenschaft erklärt die Entwicklung der Menschheit und der Welt auch spirituell-geistig, also übersinnlich, anders als die rein säkular naturwissenschaftlich orientierten Fortschrittsgedanken. Steiner berücksichtigt dabei Ansätze z.B. des Darwinisten Ernst Haeckel, grenzt die Anthroposophie jedoch klar ab gegenüber der Theosophie und ihrer einseitigen Orientierung an der östlichen Religiosität.

In der Anthroposophischen Gesellschaft kommen Menschen zusammen, die mit einer geistigen Dimension des Lebens rechnen oder rechnen wollen, unabhängig von ihrer Weltanschauung oder von ihrer Religion.

 

Durch die Anthroposophie Rudolf Steiners erneuerte und erweiterte Lebensbereiche

  • Pädagogik: Rudolf Steiners Gedanken über die Erziehung des Kindes führten 1919 zur Gründung der Waldorfschule in Stuttgart und damit auch zur Begründung der Waldorfpädagogik. Woher der Name Waldorfschule? Der Direktor der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik (Stuttgart) bat Rudolf Steiner eine Schule für die Kinder seiner Arbeiter pädagogisch zu betreuen. Heute gibt es auf der Welt 1.149 Waldorfschulen, davon 779 in Europa. Je nach Land, werden Waldorfschulen  auch "Rudolf Steiner Schule" oder "Freie Waldorfschule" genannt.
  • Die anthroposophische Medizin (auch: anthroposophisch erweiterte Medizin) baut auf der modernen, naturwissenschaftlich basierten "Schulmedizin" auf. Anthroposophische Ärzte verfügen daher über die gleiche Ausbildung, wie schulmedizinisch tätige Ärzte. Die anthroposophische Medizin begreift den Menschen als leibliches, seelisches und geistiges Wesen und entwickelt Diganostik und Therapien aus diesem umfassen Menschenverständnis. Zu den besonderen Therapierichtungen zählt z.B. die Rhythmische Massage nach Ita Wegman oder die Heileurythmie.
  • Die anthroposophisch orientierte Heilpädagogik geht von der intensiven Erforschung der Phänomene aus. Grundgedanke ist die Überzeugung, dass die Individualität eines Menschen nie krank, sondern in diesem Leben nur in ihrer harmonischen Entfaltung beeinträchtigt sein kann. Er soll sich daher auf individuelle Art entwickeln können.
  • Noch unter der Anleitung Rudolf Steiners wurden aus der anthroposophischen Medizin auch anthroposophische Arzneimittel entwickelt, die in der anthroposophischen Medizin die allopathischen Medikamente ergänzen.
  • Die Ideen, welche zur anthroposophischen Landwirtschaft führten ("biologisch-dynamisch"), entwickelte Rudolf Steiner 1924 in einer Vortragsreihe. Das Ideal ist die Kreislaufwirtschaft: auf einem Hof gibt es soviele Tiere, wie das Land des Hofes ernähren kann. Der Hof wird als sozialer Organismus verstanden, in dem Mensch, Pflanze, Tier und Boden zusammenwirken.
  • Im Bereich der Kunst gab Steiner vielfältige Anregungen. Hier drei Beispiele:
    • Der Stil der anthroposophischen Architektur kann auch als organisch bezeichnet werden. Er beruht auf dem Gedanken Steiners, dass Formen in der Natur den Naturgesetzen folgen und ihre Inhalte vermitteln. Anthroposophische Gebäude scheinen den Formen der Natur nachempfunden. Ein Beispiel für die anthroposophische Architektur ist das Goetheanum in Dornach.
    • Die Eurythmie ist eine moderne Bewegungskunst, ebenfalls von Steiner entwickelt. Sie ist keine Tanzkunst im üblichen Sinn. Stattdessen will sie durch Körperbewegung äußerlich sichtbar machen, was als objektive innere ätherische und seelische Bewegung in Sprache und Musik lebt.
    • Steiners Impuls zur Malerei schließt an Goethes Werk zur Farbenlehre an. Goethe verdeutlichte die seelische Wirkung der Farbe auf den Menschen versuchte die geistige Realität der Farbe u.a. durch den Begriff der Steigerung zu umreißen. Auf ihn geht auch die moderne Farbpsychologie zurück.
  • Im Bereich der Religion half Steiner bei der Begründung der Christengemeinschaft. Sie versteht sich als Bewegung für religiöse Erneuerung, die der Anthroposophie zwar nahesteht, aber eine selbstständige Kultusgemeinschaft ist.
  • Zahlreiche Firmen sind durch Steiners anthroposophische Geisteswissenschaft inspiriert. So bieten z.B. die Firmen Wala und Weleda anthroposophische Arzneimittel und Pflegeprodukte. Bei Firmen wie z.B. dm-Drogeriemarkt oder Alnatura ist  die Firmenkultur durch Rudolf Steiners soziale und geistige Erkenntnis geprägt. Der einzelne Mensch und Mitarbeiter muss dabei kein Anthroposoph sein oder an eine übersinnliche Welt glauben: Rudolf Steiner weist immer wieder daraufhin, dass jeder Mensch mit gesundem Menschenverstand die Erkenntnisse der Anthroposophie nachvollziehen kann.
  • Die Freie Hochschule für Geisteswissenschaft hat ihren Sitz am Goetheanum in Dornach und bildet den Mittelpunkt der Anthroposophischen Gesellschaft. Sie ist gegliedert in die Fachsektionen Pädagogische Sektion, Medizinische Sektion, Landwirtschaftliche Sektion, sowie Sektionen für bildende Künste, Zeitkünste, Naturwissenschaft, Mathematik/Astronomie, Schöne Wissenschaften, Sozialwissenschaften und Jugend.