Architektur

Architektur des 2. Gotheanums in DornachAnthroposophische Architektur

Die anthroposophische Architektur ist eine Baukunst, die von Rudolf Steiner entwickelt wurde. Sie orientiert sich an den Erkenntnissen der Anthroposophie bzw. Geisteswissenschaft Rudolf Steiners, die besagt, dass es hinter den Naturerscheinungen noch eine geistige Welt gibt, die die Natur hervorbringt. Diese geistigen Naturgesetze und Verhältnisse werden durch die Formen und Farben der anthroposophischen Architektur künstlerisch zum Ausdruck gebracht.

1. Goetheanum in DornachDas erste Gebäude, die Steiner als Architekt im anthroposophischen Stil entwarf, ist das erste Goetheanum in Dornach, der Sitz der Anthroposophischen Gesellschaft. Das zweite Geotehanum, das nach seinem Tod fertig gestellt wurde, wurde nach seinem Modell erbaut. Dabei unterscheidet sich der Erste Bau vom Zweiten Bau des Goetheanums deutlich. Während beispielsweise beim ersten Goetheanum noch mehr Gewicht auf Geometrie und einzelne, bewegliche Formen gelegt wurde, wirkt das zweite, aus Stahlbeton gebauten Goetheanum heute im Ganzen ergriffen von dieser Dynamik (mehr Informationen über die Architektur des Goetheanums finden Sie hier). Die Architektur der Goetheanum-Bauten prägte maßgeblich das einzigartige anthroposophische Design vieler Bauten innerhalb der anthroposophischen Bewegung. Sie diente als Vorbild für viele Waldorfschulen, Rudolf-Steiner-Häuser, Kirchen der Christengemeinschaft und andere anthroposophische Gebäude.

Andreaskirche Amsterdam anthroposophische ArchitekturOrganische Bauweise

Typisch für anthroposophische Bauwerke ist, dass die Form, Farbe und Funktion der Gebäude die organischen Bewegungen der Natur nachvollziehen. Dadurch stellen sie ein harmonisches Verhältnis zur Natur sowie zum Menschen und den Bedürfnissen, die das Gebäude erfüllen soll, her. Sie soll jene in der Natur verborgene, geistige Sphäre und Ordnung durch Architektur und bildende Künste sichtbar machen. Dadurch wird die anthroposophische Architektur oft als Beispiel für die sogenannte Organische Architektur verwendet, aber auch mit dem Expressionismus und dem Jugendstil verglichen. In der organischen Architektur, welche ein Architekturstil der Moderne ist, entwerfen Architekten die Gebäude ebenfalls im Hinblick auf ein harmonisches Verhältnis mit der Umgebung und dem Gebrauch. Ein bekanntes Beispiel außerhalb der Anthroposophie ist die Sagrada Familia in Barcelona von Antoni Gaudí.

Merkmale anthroposophischer Architektur

  • Symmetrie
  • organische Formen
  • geometrische Formen
  • spezifische Formen je nach Funktion des Raumes (in Klassenräumen an Waldorfschulen werden klare, strukturierte Formen verwendet, um konzentriert arbeiten zu können)
  • Dächer als Schale oder Kappe (z.B. beim Goetheanum oder Haus Duldeck)
  • Malereien und natürliche Farben für die Gestaltung der Innenräume, die eine Wirkung auf den Menschen haben (Blautöne beispielsweise wirken beruhigend, während gelbe und orange Töne die Geselligkeit fördern.)
  • natürliche Materialien wie Holz, Stein, Lehm
  • keine oder wenig rechte Winkel, abgerundete Ecken

Architektur als Entsprechung des Verhältnisses des Menschen mit seiner Umgebung

Wörtlich bedeutet Architektur "die erste Kunst" (aus dem Griechischen arché „Anfang, Ursprung, Grundlage, das Erste“ und techné „Kunst, Handwerk, Kunsthandwerk“ bzw. téktón „Zimmermann, Baumeister“). Architektur wird in der Anthroposophie als dritte Hülle nach Haut und Kleidung angesehen. Steiner spricht davon, dass das Raumgefühl im jeweiligen Architektonischen Bauwerk eine Wirkung auf den Leib hat. Zudem entspringt aus dem Leben in der jeweiligen Kulturepoche die jeweilige Bauweise verschiedener Völker, daher die Unterschiede der verschiedenen Baustile und bei verschiedenen Architekten:

Goetheanum Eingang innen„Soweit man den Menschen in der Bewegung und stehend studiert, bekommt man die Form der Architektur. Ein vollkommener Bau ist nichts anderes als das vollkommene Stehen und Gehen des Menschen. Jede Kultur hat dieses Statische und Dynamische im Menschen durch ihre Architektur in anderer Weise aufgefaßt und dargestellt. Die assyrisch-babylonische Kultur stellte dar das Verkünden des Logos mehr durch das Vorbeugen des Menschen, die griechische Kultur durch das ruhige Stehen.

Man braucht bloß die Art kennen, in der der Mensch in der Welt darinnensteht, um lebensvoll alle Bauformen zu erkennen. Heute ist ja die Bauphantasie eine sehr eingeschränkte. Und dennoch muß der heutige Baustil ein solcher sein, der aus dem menschlichen Selbsterlebnis herausgeboren ist, der aus dem «Erkenne dich selbst» fließt. Dieses ist versucht worden im Goetheanum.“ (Rudolf Steiner - Die Erkenntnis-Aufgabe der Jugend, Vortrag vom 14. Februar 1923 (GA 217a) S. 112f)